Mädchen aus Staßfurt

Verfangen in der Ahnenforschung durchstöbre ich die Bilder der Vergangenheit. Eines fällt heraus. Ich habe den Eindruck es fällt langsam, fällt auf die Vorderseite, auf der Rückseite lese ich 1982. Ich beuge mich runter, hebe es auf, drehe es um. Deinen Namen weiß ich nicht mehr, du warst 14 und ich 15.

Wir waren im Urlaub und unsere Eltern lernten sich kennen und verbrachten viel Zeit miteinander. Dadurch wir auch. Ich erinnre mich wie deine Haare rochen, wenn ich neben dir lief. Seltsam, ja ich schwärmte für dich. Wir waren viel zusammen, ohne zusammen zu sein. Nach dem Urlaub schrieben uns und irgendwann gestand ich dir das ich dich mag.

2 Jahre später besuchten meine Eltern, deine Eltern in Staßfurt. Es war im Herbst. Ich war mittlerweile 17 und du 16. Wir hatten uns verändert und ich erinnre mich an diese seltsame Stimmung zwischen uns in der Küche in diesem alten Haus in Staßfurt. Wir hatten nichts mehr gemeinsam und du einen Freund.

Heute bist du wahrscheinlich 56 Jahre. Ich kann mir nicht vorstellen das du noch in Staßfurt lebst. Egal wo wünsche ich dir Glück, Mädchen aus Staßfurt.

Und sonst so? III

Etwas Gedankenversunken, Menschen können so verletzen und in mittelalterlichen Dingen feststecken…Eigentlich müsste ich wütend sein, aber ich habe nur Mitleid für ein Häuflein „Nichts“… Aber zurück, es betraf ja auch nicht mich persönlich, aber Blut ist dicker als Wasser, auch wenn es nicht rein ist…Aber nun wirklich zurück, der Platz in der Bahn, auf der mein Schatten saß, bleibt immer öfter leer, war wieder in Berlin, diesen Menschen treffen, der in den letzten Monaten so wichtig geworden ist… Auf dem Dorffest konnte ich kurz ein Engel sein…Ich freue mich auf 3 Konzerte in den nächsten Wochen. Erst gehe ich zu „Die Art“ (ach was freue ich mich), dann geht es zu „MaidaVale“ (ach was freue ich mich) und dann zu „Sind“ (ach was freue ich mich)…Ein Bild geschickt bekommen, da waren Haare und Bart noch „schwarz“, wie lächerlich…Die Jugendlichen haben mir gezeigt, dass sie das Schloss an einem Tor zum Wald auf dem Gelände nicht gut fanden…am anderen Morgen fand ich es am Gitter zum Hauseingang…Und sonst so?…War Veränderung bei mir so oft laut und holperig, so ist sie gerade still und  fast schattenlos…….

Noch nicht getraut

Das ich viele Bilder gefunden, gesichtet, sortiert habe, darüber habe ich ja schon berichtet. In diesen Kisten, die ich durchsuchte, fand sich aber auch so manches andere……wie ein Walkman. Erstmal nichts Besonderes, denke viele haben noch ein alter Walkman irgendwo rumzuliegen. Aber als ich ihn öffnete, sah ich darin eine Kassette, die ich gleich erkannte. Mit Rot stand darauf „EIG“. Es war meine Abkürzung für diese Kassetten auf denen Lieder sind, die ich in den 80igern bis Mitte der 90iger geschrieben habe. (Ab Mitte der 90iger kein einziges mehr…seltsam). Einfach aufgenommen im Zimmer mit einem Mikrofon, teilweise auf Tonband (kennt ihr das noch???) und dann auf Kassette überspielt. Wie sie mir heute gefallen? Weiß ich nicht, ich habe mich noch nicht getraut in meine Vergangenheit hineinzuhören.

Lachen am anderem Ende des Denkens

 

 

Minutenlang schaue ich auf das Bild, bevor ich ein Wort schreiben kann. Seht ihr das Lachen des alten Mannes? Matthes scheint etwas zu erzählen und sein Uropa scheint zu verstehen und lacht, lacht in einer Zeit, in der er selten lachte.

Kurz eine Pause, der Blick wird glasig.

Ich erinnere mich an diesen Tag.

Wir klingelten an der Wohnung in Berlin. Uroma öffnete und mir war wie immer etwas unwohl, das lag aber sicher nicht an der Oma, nicht an dem Besuch an sich. Langsam gingen wir ins Wohnzimmer, Uropa schaute mich an und ich wusste das er nicht weiß, wer ich bin. Wie immer. Er begrüßte mich freundlich und fragte auch wie es mir geht. Es war eine Höflichkeit, um seine Unwissenheit zu überspielen, vielleicht gab es ja diesen kleinen klaren Moment.

„Dich habe ich schon mal gesehen“ sagte er lächelnd, als Matthes hinter mir vorkam. „Dich kenne ich“ sagte er und er nahm Matthes auf den Schoß, alle anderen bereit loszuspringen, falls er Matthes fallen lässt. Aber er tat es nicht. Matthes saß und sie redeten und Opa lachte, lacht in einer Zeit, in der er selten lachte.

Matthes Uropa zu der Zeit schon schwer Demenzkrank. Wollte nachts los, um arbeiten zu gehen, obwohl er schon lange Rentner war, erkannte niemanden mehr oder wenn nur kurz. Aber Matthes war das egal, das war sein Uropa und auch wenn er oft Respekt vor ihm hatte, da er manchmal unberechenbar war. Dieses Lachen ist so schön, soviel wert, zu einer Zeit, in der sein Uropa selten lachte.

(Ruhe in Frieden)

Zeitreise – Monumental

Kurzer Zusatz am 1.7. Diesen Beitrag hatte ich eigentlich schon am 23.6. nur auf dem Blog gepostet.  Allerdings haben sich die CD’s mit ca. 148000 Bildern als wahre Fundgrube für Geschichten gezeigt und so soll dieses die erste sein, bevor ich in den nächsten Tagen euch mitnehmen kann auf eine kleine Gedankenreise zu verschiedenen Bildern.

Meine Frau ist immer irritiert, wenn sie meine Blogeinträge liest. Sie sagt dann, das ist manchmal so als ob man den Menschen neben sich nicht kennt. Ich kann sie beruhigen, geht mir genauso, ich kenn mich ja auch nicht. Also alles gut, es liegt nicht an ihr. Wie habe ich neulich gelesen:“ ich habe mich gefunden. War gar nicht schwer. Ich stand neben mir“ Aus den Boxen erklingen die neuen Alben von „Bleib Modern“ und „Clan of Xymox“. Vielleicht nicht die geeignetste Musik so allgemein gesehen, aber wunderbar für eine Reise.

Bis 2008 habe ich alles auf CD oder DVD gesichert. In einer Kiste fand ich jetzt gut 50 davon. Ich habe mich entschlossen sie durchzusehen und alles, was ich behalten will auf eine Festplatte zu laden. Ich konnte nicht erahnen welche Flut von Erinnerungen und vergessen unvergessenen Bildern auf mich zustürmte.

Man soll ja nicht in der Vergangenheit leben und ich lebe mein JETZT sehr gerne, aber eine kleine Zeitreise war und ist erlaubt. Aus den Boxen klingt jetzt „King Hannah“ und ich bemerke auf meiner Reise wie dunkel, wie hell, wie tief, wie weit oben…wie viel Leben in den Bildern, in mir steckt. Erlebtes Leben das einem keiner nehmen kann. Nun liegt es eigentlich nur an mir dieses viele Leben als etwas positives zu sehen und mitzunehmen auf dem Weg nach vorn.

Heute ist Morgen schon Gestern

Das Rad stottert, der Motor auch etwas. Aber er läuft, man kommt vorwärts, langsam. Hier eine Schraube locker, da eine festziehen. Wird schon. Angus und Julia Stone Live unglaublich. Grandios, mal 2 Stunden keine Schäden an der Karosse. Dafür reißt ein Geduldsfaden, er verfängt sich in den Speichen eines Fahrrads und wird durch Berlin getragen. Die Last die ich trage, mal Feder, mal Berg aus Stein. Entscheidungen getroffen, aber nicht gesucht. Jede Entscheidung verlangt nach etwas Veränderung. Aber Veränderung macht unruhig. Macht ein schlechtes Gewissen. Dabei habe ich mein Gewissen auf dem Gewissen. Gehe mit mir ins Gericht, kann mich nicht entscheiden welches, nehme doch einen Kuchen. Aber nicht allein, sondern mit einem Freund. Mit einem Freund? Nein, etwas anderes etwas Körperloses verbindet, vielleicht einer der wenigen, der ganz wenigen die meine Seele sehen, aber nicht die die für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Abgründe müssen auch erstmal ausgehoben werden. Verkleidet auf einer Party, hoffentlich erkennt mich keiner, wenn mich alle kennen. Dann Spaziergang, Potsdam du reiche schöne Stadt. Im Schatten von Sanssouci legt die Traurigkeit ihren Kopf an meine Schulter. Ich begrüße sie lächelnd. Sie verspricht mir nicht lange zu bleiben. Auf einer Bank hat jemand seinen Geduldsfaden abgelegt, er braucht ihn nicht mehr. Gebraucht, aber gut denke ich mir. Baue ihn ein in diesen Motor, der stottert. Aber er klingt gleich anders, eine rote Lampe erlischt, es sind nicht mehr alle roten Lampen an. Ich denke ich muss vorsichtig fahren. Lege eine Spielkarte zwischen die Speichen, klingt gleich besser. Die Herzdame. Ich liebe dich meine Frau. Wenn ich die Hände an den Ohren wie Muscheln forme höre ich das Meer. Ich muss doch gar nicht schnell fahren denke ich mir. Sollte dankbar sein das der Motor läuft auch, wenn er stottert. In der Vergangenheit liegt die Wahrheit. Wenn ich fahre, kann sie mich nicht einholen. In einem Lied heißt es „Heute ist Morgen schon Gestern“. So ist es denke ich mir, mach mir einen neuen Kaffee und lege einen Geduldsfaden ins Gefrierfach. Man weiß ja nie.

Kreiskarussel

Eigentlich müsste ich Stopp rufen, damit das Rad stehen bleibt. Nicht durchdrehen.

Aber ich tue es nicht. Es sind nur noch einige Wochen, dann steige ich in ein neues Rad. Ich bin gespannt. Doch das jetzige dreht sich so schnell, zu schnell. Ich habe mich neben das Rad gestellt und es selbst so angedreht das es immer schneller wird. Ich steige zu mir und zeige mir einen Vogel. Je schneller sich das Rad dreht, je weiter geht es langsam zurück in der Zeit. Ich will nicht zurück. Meine Dämonen stehen lächelnd daneben. Bilder verschwimmen zu etwas Bekannten, das ich nicht erkennen will. Es dreht sich und ich muss mich bewegen, wenn ich plötzlich stehen bleib werde ich stürzen, ich muss langsamer werden und das Rad langsam anhalten, doch irgendwas hindert mich daran und meine Dämonen stehen daneben und lächeln.

Nachtgedanken (Für meinen Sohn)

Am Abend regnete es, deine Mama tanzt im Regen. Die Jugendweihe geht zu Ende. Die letzten Minuten die Geschenke „zählen“. Nicht alles war perfekt, aber alles sehr gut. In der Erinnerung sehe ich mich, Bahnhof Zoo um 4.30 Uhr mit dir im Kinderwagen zum Frühdienst. Wir hatten keinen Krippenplatz, aber ich durfte dich mit auf Arbeit nehmen. Mein erstes Kochbuch, ich habe mir aufgeschrieben was du magst und was nicht, alles schön püriert. Es existiert auch noch in einer Kiste in der Garage.  Ab irgendwann dann immer am gleichen Ort. Kita- Kita, Hort – Hort. Zufällige Absicht? Die Tage die es dir nicht gut ging und du am kleinen Zaun standest, der deine Kitagruppe von meiner trennte. Dein Lächeln, wenn ich etwas Zeit hatte. Und deine Geschichten aus einer anderen Welt, die nur du verstanden hast. Später dann dezenter Rückzug, es war für dich uncool, wenn dein Vater in der Nähe war. Dann vor einigen Wochen diese Situation im Bus, du mit deinen Kumpels, stelle mich lächelnd etwas nach vorne, Eltern sind peinlich, wenn man 14 ist. Doch du siehst mich, drängelst dich durch den vollen Bus, um mich zu umarmen und mir zu sagen das du mich liebhast. Dann gehst du zurück zu deinen Kumpels. Wir waren so lange zusammen, waren so lange getrennt, wenn ich auf Föhr arbeitete oder die Nächte in den Wohngruppen. Ich finde in einem Ordner ein kleines Gedicht, geschrieben im Februar 2010.

 wenn du schläfst

lege ich mein ohr

an dein herz

an deinen mund

höre es schlagen

höre deinen atem

weiß das du

bist

Die Luft, die jetzt durch das Fenster kommt, ist frischer, noch schnell einen letzten Zug. Ich bin müde und weiß du schläfst schon. Eigentlich wollte ich Worte finden, die das ausdrücken könnten, was ich fühle. Aber es gibt sie nicht, nicht wenn etwas so tief ist. Leise öffne ich die Tür, gehe den Flur entlang, öffne die Tür zu deinem Zimmer, stehe einen Augenblick in der Tür und in meinen Gedanken leg ich mein Ohr an dein Herz und deinen Mund.

 

Stille Ecken

Vor 3 Wochen fuhr ich am Morgen mit der U-Bahn in Hamburg und lächelte die Menschen an, die mich anschauten. Sie schauten immer weg. Schauten mich dann auch nie wieder an. Vor einigen Tagen war ich mit Anja unterwegs und sagte es gebe immer weniger schöne Menschen, aber nicht, weil sie nicht gut aussehen, sondern weil die Augen immer trauriger und leerer werden, gehetzt und müde. Und letzten Sonntag führ ich eine Stunde mit der S- Bahn von Potsdam bis Berlin Warschauer Straße, dann lief ich nach Kreuzberg. Wenn ich unterwegs bin, suche ich mir manchmal diese Bank mit den 3 Sitzen in der Mitte des Zuges aus, um gut sehen zu können. Ich saß noch nicht ganz, als ich das erste Mal nach Geld gefragt wurde. Vielleicht liegt es an der Vergangenheit, an meiner, dass ich das schlechte Gewissen nie loswerde, wenn ich auf den Boden schaue, wenn sie reden. Sie riechen stärker, fiel mir auf, aber es wurde ja auch warm. Laut redend betritt eine japanische Reisegruppe die S-Bahn. Sie setzen sich in meinen Blickwinkel, nah fast zu nah. Einer neben mir. Am Ende des Wagens sehe ich den zweiten Bettler. Ich bin gespannt. Einer der Reisegruppe weist die anderen auf den Bettler hin, jeder der Reisegruppe starrt auf sein Handy und zu Boden als der vor uns steht und spricht. Ich gebe ihm einen Euro und schaue in so leere Augen, die bestimmt einmal von einem wunderschönen blau waren. Die japanische Reisegruppe schaut von den Handys auf und mich an und ich schau in jedes dieser Augenpaare und keines strahlte, manche fragend, andere abwesend. 2 Stationen weiter kam je ein Bettler von jeder Seite, entsetzen in den japanischen Augen, aber auch in all den anderen die ich sehen konnte. Dieses: „Nicht schon wieder“. Beide bleiben stehen, schauen sich an keiner will dem anderen im Weg sein. Sie steigen beide aus. Eine junge Frau, vielleicht 20 Jahre hat Augen, die waren so tief und traurig, ich musste vorsichtig schauen, sie mied jeden Augenkontakt, mit jedem. Eine Frau erzählte ihrem Mann mit großen Augen von ihrem Tag. Der Freund schaute aus dem Fenster. Warschauer Straße waren es dann 11 Bettler gewesen. Zur schlesischen Brücke zu Fuß, zu Fuß nach Kreuzberg, die Brücke voller Obdachloser. Viel sind es geworden, viel zu viel. Es regnet leicht, noch über diese Straße und dann ins „Lido“. Es dauert eine Weile, bis ich endlich in viele strahlende Augen sehe, es freut mich. Stehe ganz hinten, in einer stillen Ecke und erlebe „Still Corners“ live. Spätestens beim 3 Lied ( „Black Lagoon“)merke ich das sich mein Körper bewegt und ich kann nichts dagegen tun. Es geht vielen so und die Augen, die ich sehe, sind alle auf einer Reise und zufrieden. Einen Augenblick denke ich an den Regen, denke an die Bettler, der Körper bewegt sich etwas schneller. Ich kann die Welt nicht retten, kann sie nicht retten. Aber vielleicht ein bisschen, wenn meine Augen strahlen, wenn andere verzweifeln.